Mitbewohner (Menschen, wie sie sich selbst nennen) sind in der Tat eingenartige
Geschöpfe. Sie tun komische Dinge und die Resulate sind noch komischer und
unerwarteter.
Heute im Park, als ich meinen Mitbewohner ausführte, traf ich Benno, einen guten
Freund. Ich war hocherfreut, da ich ihn lange nicht gesehen hatte und so nutzten
wir die Gelegenheit, als mein Mitbewohner sich auf einer Bank ausruhte, zu einem
Gespräch.
Während wir so schön über die alten Zeiten palaverten, lief eine ansehnliche
Windhunddame an uns vorbei. Sie nickte uns verschmitzt zu, denn ihre Bereitschaft
war nicht zu überriechen. Benno und ich waren begeistert. Auch wenn ich längst
nicht mehr in dem Alter bin, kann ich doch seine Freude nachvollziehen, als
er die Gute sogleich bestieg.
"Hast Du ihren Namen erfahren?"
"Nein aber sie ist morgen wieder hier.", Benno grinste und damit war das Thema
erledigt. Wir Hunde machen nicht viel Federlesens um das Besteigen. Der Gedanke
muss wohl nicht nur mir gekommen sein, denn Benno bemerkte, dass diese Sache
bei den Mitbewohnern ein wenig komplizierter sei.
"Hast Du eine Ahnung, warum deren Männchen nicht die Weibchen besteigen,
sobald eines vorbeikommt, das bereit ist?", wollte er von mir wissen.
Glücklicherweise ist es mir in der Vergangenheit gelungen, dieses Verhalten eingehend
zu beobachten.
"Sieh, Benno, es fängt damit an, dass die Männchen gar nicht bemerken, ob
ein Weibchen bereit ist. Sie haben keinen Geruchssinn, jedenfalls nicht in dem
Sinn, wie das was wir darunter verstehen.". Benno nickte wissend.
"Sehr seltsam ist zum Beispiel, dass die Weibchen verschiedene Signale
ausschicken, damit die Männchen das trotzdem mitbekommen. Bei den meisten
klappt allerdings selbst das nicht. Oft gelingt es nur bei einem Exemplar."
"Aber das kann doch das Weibchen gleich besteigen oder?"
"Das ist ja das seltsame, kaum hat ein Männchen angebissen, fängt das Weibchen
an, es an der Nase herumzuführen. Es treibt Spielchen mit dem Männchen.
Auf keinen Fall kommt es gleich zum Besteigen. Die beiden Paarungsbereiten
reden dann erst mal über lauter völlig uninteressante Sachen."
"Aber dann besteigt er sie?", fragte Benno ungeduldig.
"Im Gegenteil! Dann trennen sie sich und sehen sich erst am nächsten Tag
wieder. Unvorstellbar, nicht wahr? An dem Tag gehen sie dann zusammen
irgendwohin und essen etwas oder so. Dabei reden sie weiter über Belanglosigkeiten."
Mein Mitbewohner war in der Zwischenzeit aufgestanden und wollte sich
offenbar von mir entfernen. Ich tat so, als liesse ich ihn gewähren und blieb
wo ich war.
Benno wurde immer ungeduldiger. "Aber dann besteigt er sie?"
"Mein lieber Freund, ich muss Dich auch diesmal enttäuschen, noch immer
darf das Männchen sie nicht besteigen. Er muss dieses Gerede bis zum späten
Abend ertragen. Fürwahr, eine Qual. Man könnte direkt Mitleid entwickeln."
Wir grunzten und lachten über diese abstruse Vorstellung.
"Wenn das Männchen dann also diese Torturen überstanden hat, gehen sie
zu ihr nach Hause oder, wenn er wohlhabend zu sein scheint, zu ihm."
"Aber jetzt besteigt er sie, er muss es nicht mehr aushalten können!"
"Negativ, Benno.", fuhr ich fort. "Jetzt macht das Weibchen ein Gerät an,
aus dem diese furchtbaren Geräusche kommen, auf die sie so stehen."
"Du meinst dieses Zeug, wie nennen die das nochmal? Musik?"
"Ja genau. Und sie trinken dann berauschende Getränke, ausserdem fahren
sie mit dem Reden fort. Dieser Moment ist übrigens kritisch für das
Männchen, weil sich hier erst entscheidet, ob er sie besteigen darf.
Er muss sie zum Lachen bringen aber darf nicht blöd dabei wirken."
Benno schüttelte sich bei dem Gedanken, wie ein grundsätzlich
blödes Lebewesen es anstellen soll, nicht blöd zu wirken.
"Hat er den kritischen Punkt überstanden, darf er sie aber immer
noch nicht besteigen! Kaum zu glauben, nicht wahr? Jetzt muss er das
Weibchen umständlich ausziehen und er muss sie überall
mit seiner Schnauze berühren. Den Weibchen scheint dieses absonderliche
Getue zu gefallen."
"Aber jetzt", unterbrach mich Benno, der es nicht mehr aushielt, "darf
er sie endlich besteigen?". "Richtig.", bestätigte ich. "Wie um Himmelswillen
schaffen es die Mitbewohner aber dann, sich so stark zu vermehren?"
"Das, mein lieber Benno, ist das Paradoxon bei dieser Spezies. Ein
grosses Rätsel. Ich kann es nicht erklären".
Benno schüttelte verwundert den Kopf. Gerade lief ein paarungsbereites
Mitbewohnerweibchen vorbei aber mein Mitbewohner, der inzwischen
zurückgekehrt war, nahm keine Notiz davon. Ihr Geruch schrie geradezu
nach Besteigen, er hatte jedoch nichts besseres zu tun, als nach mir zu
rufen.
Ich verabschiedete mich von Benno und tat dem Zweibeiner den Gefallen
und trabte zu ihm, um zu vermeiden, dass er traurig wurde. Traurige
Mitbewohner sind kaum zu ertragen.
besteigen, paaren, paradoxon